Ziemlich zufällig stolpere ich beim Testen der Video-Funktion dieses Blogs auf dieses Musikvideo. Der Track dazu kam mir schon vor Jahren in die Playlist, obwohl kaum Fan der White Stripes, zumal ich glaubte, sie wären ein One-Hit-Wonder gewesen. Obendrein dann noch der Regisseur in den Credits: Michel Gondry. Eine Ikone und Vorbild aus Studienzeiten.
Es scheint als wäre dieser Autor von vielen gefinkelten Musikvideos und dadurch berühmt gewordene Künstler in seinen älteren Tagen nicht weniger kreativ, aber bescheidener geworden. Keine gigantischen Firlefanze, keine zig Leute, die aufwändig verspielte Sets bauen, in allen Genres beleuchten, übertrieben geniale Effekte durchplanen, nur um dann für 3 Minuten ein „Oh“ oder „Wow“ zu kreieren.
Die heutige Optik erzeugt ein Momentum von Intimität und Vergänglichkeit, löst dabei die Zügel des kommerziellen Perfektionismus, lässt Freiheitsgefühl und Lockerheit zu. Alles Stimmungen, die in den letzten Jahren zur Mangelware verkümmert sind. Auch eine Stimmung, die der Band höchstwahrscheinlich sehr nahe liegt, der musikalischen Komposition zuträgt, ein Gefühl von Identität und Lebensphilosophie stiftet.
Visuelle vision
Es erstaunt mich etwas, dass sich bei Projekt Lina bislang keine konkrete Vorstellung vom visuellen Ansatz herauskristallisiert hat. Ja, es gab schon die ein oder andere Idee, das Verlangen nach einer Klärung dessen, sprich Ausprobieren oder Recherchieren. Aber der Drang, dass dieser Test bereits passiert wäre, oblag meistens der Geschäftigkeit anderer Dinge oder war nicht wichtig genug, um im Vordergrund den wirklichen Fokus zu ziehen.
Und da kommt die Vermutung beziehungsweise das Vertrauen ins Spiel, dass die Menschen den Ton angeben werden. Die Sammlung der Interviews, der Anekdoten und Impressionen daraus die Richtung vorgeben werden. Zum aktuellen Zeitpunkt wäre jeder visuelle Vorgriff eine reine Spekulation eigener Reaktionen darauf. Würde als Konstruktion einen fahlen Geschmack erzeugen, als Vermutung final womöglich nur entarten, da die Basis fehlen würde. Darum derzeit lieber komplett offen, fern jeder Erwartungshaltung und bereit für Experimente.
Rote sonne
Ein Musikvideo aus dem letzten Sommer dient mir da als eigenartiger Anker für diese Sicherheit. Denn ziemlich oft lässt sich bei nahestehenden Kulturschaffenden beobachten, dass sie ihre Arbeit dazu nutzen, um autotherapeutische Effekte zu erzielen. Sei es die Bearbeitung eigener Themen oder das Verweben dessen mit gesellschaftlichen Trends. Natürlich glitzert es oft erst durch, wenn man die Person und ihre Geschichte genauer kennt. Der Leerraum zwischen den Zeilen tritt dadurch zu Tage, beginnt zu sprechen.
Absurderweise kann man sowas auch bei eigenen Arbeiten beobachten. Mit dem Freibrief ein Musikvideo mit Mitteln meiner spontanen Wahl zu gestalten, entstand nebst 5 Minuten surrealer Bildkompositionen obiges Still. Der Ansatz: ein entarteter Albtraum paralleler Momentaufnahmen von Tatsachen und Erinnerungen mittels eines auf Sound und Zeit automatisierten Skripts in After Effects. Was aufgeblasen klingt und auf metaphorischer Ebene durchaus greift.
Was neben technischer Verspieltheit blieb, ist das Resultat eines äußerst intuitiven Schaffensprozesses. Oft nur ein Dialog mit den verfügbaren Mitteln, den Darstellern, dem Gegenständlichen und dem visuellen Feedback im Schnitt, das sich konkreter Grammatik oberflächlich annähert, aber überwiegend emotionalem Vokabular und Ausdruck bedient.
Ich erinner mich genau an den Moment nach dem fünften Rendern, als ich festzustellen glaubte, dass sich der Sinn der Narration nun schlußendlich offenbart hätte. Und dabei war es unnötig, den Sinn darin zu suchen. Die einzelnen Einstellungen sprachen für sich, als fragmentierte Sprachrohre für mein eigenes Unterbewusstsein und den zum Zeitpunkt des Drehs bestehenden Eindrücke, die einfach nur verarbeitet werden wollten.
Im nachhinein
Damals als Zeuge eines Beziehungsdramas mit schwieriger Schwangerschaft, heute für mich ganz klar lesbar, erzeugte die intuitive Arbeit am Musikvideo Bilder von Schmerz und Distanz, mit dunkler Lichtsetzung und obskuren Bewegungen, im Zwielicht zaghafter Emotion, einem unsichtbaren Aggressor ausgeliefert, einer Schockstarre des Verlustes.
Abgesehen davon, dass das Werk von der Band am Ende abgelehnt und nie verwendet wurde. scheint es mir, dass einen derartigen Flow passieren zu lassen und gestalterisch freizulegen, zum eigentlichen Kunstgriff zählt. Verbunden mit einem bedingungslosen Vertrauen zur eigenen inneren Welt, den Schattierungen der subtileren Schichten, als Bühne und freies Ventil. Ein Zustand, den wieder zu besuchen, es sich lohnen könnte.