Wer ist denn jetzt eigentlich diese Lina?

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Lina ist die Sternentochter von sehr guten Freunden. 2016 hatte ich nach einer langen Südamerikareise eine ‚heimatlose‘ Phase und war deswegen sehr lange ein anscheinend angenehmer Gast auf deren Sofa. Genau in dieser Zeit war die zweite Schwangerschaft der Beziehung im relativen Mittelpunkt und natürlich war die Nachricht, dass Lina es nicht geschafft hatte, ein heftiges Erdbeben für alle Anwesenden: Für das Paar, den zweijährigen Sohn und auch mich: am Beckenrand.

Unverhofft und dankbar für das Vertrauen wurde die gute Freundschaft plötzlich noch viel intimer. Die vielen Gespräche, die daraufhin passierten, imponierten und inspirierten zutiefst. Ob der Offenheit im Umgang mit einem derartigen Verlust oder vielmehr wegen der Kraft, die man daraus schöpft, um die notwendigen Schritte zu tun. Vor allem die für mich ungewöhnliche Bereitschaft das Gespräch immer wieder zu suchen und auch im Außen offen damit umzugehen. All das hätte es in meiner eigenen Familie nie gegeben, das Schweigen war antrainierte Methode. Begraben ein Akt der Selbstverständlichkeit, nicht und niemals das Gespräch darüber.

Als Erkenntnis der damaligen Zeit durfte ich die Beobachtung machen, dass nebst anfänglicher Trauerphase und dem zaghaften heilen der Wunde, eine offene Behandlung einen therapeutischen Effekt erzielen kann – ja die Kruste im Mittelpunkt als Medium zur Verarbeitung besprochen werden darf. Natürlich immer in Anbetracht der seelischen Kapazitäten der Beteiligten. Nicht jede:r ist per se so extrovertiert veranlagt, wie meine Freunde.

So kam die idee

Und daraus resultiert die Projektidee. Intimer geht’s wohl kaum. Und wie nimmt man Betroffene an der Hand, Schritte zu tun oder Beispiele zu liefern, ohne dabei zu Nahe zu treten? Vor allem mit dem Werkzeug des Animationsfilms, schien mir das Kino als geeigneter Raum zur Behandlung emotionaler Zustände – offen und abstrakt, mit gesprochenem Wort als Vordergrund. Vor allem, weil mir persönlich immer wieder bewiesen wurde, dass Film diese Kraft besitzt, ohne dass ich mich sonst wie zu einem Thema exponieren muss. Ein kollektives Verhandeln fragiler Tabus, ein dortiges Sich-Öffnen und Passieren-Lassen im Vakuum eines pseudo-öffentlichen Raums, im Schutz der Dunkelheit und im gesteckten Rahmen einer vorgegeben Zeitspanne – wie geschaffen für eine derartige Auseinandersetzung.

Ein jedes Abtauchen in eine Fiktion oder Erzählung ist eine Katharsis für sich – eine wiederkehrende Reinigung im Zuge der Empathie, die wir mit unseren Held:innen fühlen oder den Emotion, die sich regen, wenn uns die Leinwand berührt. Egal wie das genau heißt oder funktioniert. Für mich steht fest, dass die Herangehensweise dem Tabuthema eine geschützte Bühne bieten kann. Eine Bühne für den Tanz der vielen verhaltenen und doch gewichtigen Regungen, die uns am Ende immer ’nur‘ als Mensch zurücklassen und somit vereinen. Als Mahnmal dessen, was oft gern unter Tische oder Attitüden gekehrt wird.

By remo

Über das Projekt

Das Projekt sammelt Geschichten und Stimmen zum Thema ‘Sternenkinder’ und möchte dies in Form von Audioaufnahmen zu einem Animationsfilm verarbeiten.

Die gesammelten Ergebnisse der Gespräche, sowie Einblicke in das Handwerk des Animationsfilms sollen über diese Webseite einem interessierten Publikum zugänglich sein. Ebenso soll dieses Archiv betroffenen Menschen als Inspiration und therapheutische Anlaufstelle dienen.

Das hier beleuchtete Phänomen ist kein Seltenes, und gerät als gesellschaftliches Tabu oft in eine prekäre Nische, die zu seelischen Schieflagen führen kann. Für den Film und die Sammlung werden Menschen gesucht, die anderen Betroffenen neue Sichtweisen und heilende Perspektiven schenken wollen.