#2 In den Augen von Josephine

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Zuerst finde ich die Hausnummer Fünf nicht und irre in der Siedlung herum. Dann kommt sie mir mit leuchtenden Augen von der Haustür entgegen. Das Haus modern und lebendig, die Waschmaschine heute kaputt, dafür sofort ein Kaffee und ein Wasser. Wir tratschen sofort drauf los – so als hätten wir die Vermittlung durch unseren gemeinsamen Freund Lukas schon vergessen. Aus einer ähnlichen Ecke kommen wir ja schließlich auch – und die Aufschrift auf ihrem Fotostudio im Ortskern von Pichl habe ich im vorbeifahren auch gleich erkannt: „Magic Moments“. Ein Gespräch über ihre Zeit als ehrenamtliche Fotografin für dein-sternenkind.eu mit Daniela Hainbuchner.

Wir wollen keine Narben hinterlassen, sagt die Medizin – zumindest nicht als Erinnerung an Kinder, die wir nie im Arm gehalten haben. Sobald der Herzschlag endet, kümmern sich die Hebammen um eine Einleitung und informieren die Eltern, dass ein gutes Foto als wichtiger Teil der Trauerarbeit dienen kann. Wenn dies auch heute noch im Raum Grieskirchen passiert, ist es ziemlich sicher, dass Danielas Telefon bimmelt. Dann „bumpert“ das Herz.

Ab ins Auto, wo die Gedanken anfangen zu flirren. Und dabei gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten, erklärt sie resolut. Entweder Hebamme ohne Eltern und die Arbeit verläuft professionell – oder: Eltern und Angehörige sind mitten im Schockzustand, wenn man den Raum betritt. Dann bleibt es beim Versuch professionell zu arbeiten und man ist meistens froh, wenn es erledigt ist. Immer im Bewusstsein, jemandem mit den Bildern geholfen zu haben.

Glaubst Du, dass dieser Mensch gewusst hat, dass seine Zeit begrenzt ist? – Definitiv.

Viele Rückmeldungen im Umkreis bestätigen, was sie auch in sogenannten Engerl-Seminaren erfahren hat. Dass sie wahrscheinlich hier ist, um anderen zu helfen. Eine Seele, die bereits freiwillig ihre Runden dreht – denn das verpflichtende Pensum des Karmas hat sie schon hinter sich. Und da kann es auch vorkommen, dass eine Seele nur mehr einen Tag zu absolvieren hat, eine Seele wie Josephine.

Josephine war Danielas letzter offizieller Auftrag über die Plattform. Ein siebenstündiges Shooting nach einer Zwillingsgeburt, wo nur eine Hälfte überlebte. Das Gesicht vollkommen ausgebildet, muss Josephine eine unglaubliche Präsenz besessen haben. Ein Blick so wach und munter, wie es überhaupt sehr selten der Fall ist bei Neugeborenen. Mit ihren großen braunen Augen fixiert sie heute noch die Fotografin und blickt tief in eine alte Seele voller Optimismus und Lebensfreude.

Zuhören und Empathie zeigen, sich ruhig berühren lassen oder sich manchmal nur denken, was man sich denkt. Das rät mir Daniela, nachdem ich die Frage danach stelle, wie man denn mit Betroffenen am besten umgeht. Denn sie könnte eine gute Lehrmeisterin sein, für den Weg, den das Projekt noch gehen wird. Und da läutet schon die Glocke. Halb-elf … der Techniker für die Waschmaschine ist da. Auch er bekommt einen Kaffee und wir hören uns selbst wieder reden, über Schokolade von Zotter, über Nestle und über das was man tun kann, um die Welt zu. retten.

By remo

Über das Projekt

Das Projekt sammelt Geschichten und Stimmen zum Thema ‘Sternenkinder’ und möchte dies in Form von Audioaufnahmen zu einem Animationsfilm verarbeiten.

Die gesammelten Ergebnisse der Gespräche, sowie Einblicke in das Handwerk des Animationsfilms sollen über diese Webseite einem interessierten Publikum zugänglich sein. Ebenso soll dieses Archiv betroffenen Menschen als Inspiration und therapheutische Anlaufstelle dienen.

Das hier beleuchtete Phänomen ist kein Seltenes, und gerät als gesellschaftliches Tabu oft in eine prekäre Nische, die zu seelischen Schieflagen führen kann. Für den Film und die Sammlung werden Menschen gesucht, die anderen Betroffenen neue Sichtweisen und heilende Perspektiven schenken wollen.